Zuckerpüppchen

Gestatten? - Mein Name ist Isabelle, meine Freunde nennen mich Belle, meine Mutter nennt mich Bellchen, mein Vater Bella und die - Männer - nennen mich Zuckerpüppchen. Es wundert Euch sicherlich warum ich so viele Namen habe ;D

Ich finde, das ist ein guter Einstieg um auf mein Wesen zu kommen. Es gibt nämlich genau genommen gar kein "echtes" Ich von mir. Ich bin facettenreicher als jeder der Menschen, die ich kenne. Vielleicht meine ich das auch  nur zu wissen und werde in Wirklichkeit getäuscht; jedoch bleibe ich mir in der Sache sicher, dass ich viele Gesichter habe. Das hier ist das, was mich von alldem zusammenfasst. Hier kann ich offen zugeben, dass ich ein "Multileben" führe. Ich kann zugeben, WAS ich bin; nämlich alles und doch nichts.

Hier bin ich vogelfrei.
Ihr könnt mich erschießen, meine Psyche noch weiter spalten, ihr könnt mich dafür lieben & verabscheuen;
da "draußen" juckt das keinen. Ich bin und bleibe aber frei.


Was wohl die meisten von Euch interessieren wird, sind meine Maße. 
Unspektakulär würde ich sie nicht nennen, jedoch gibt es meines Erachtens nach Spannenderes.

Größe: 1,74m
Gewicht: siehe Gewichtsverlauf
HG: 83 kg
TG: 42 kg
ED: Binge Eating -- > Anorexie -- > mittlerweile EDNOS.

Hmm, ja, was' noch "interessant" ?
Alter: 18
Bundesland: Saarland
Geschwister: 1 Bruder (10)
Beziehungsstatus: kompliziert

Klinikerfahrung? Ja.
Raucherin? Gelegentlich.
Fragen? Kommentar ;)


Meine Geschichte &' wie es zur Essstörung kam.
Am 22. Juni 1993 wurde ich im Saarland geboren in einer sehr wohlhabenden Familie. (Ist sie immer noch). So eine, wie sie in Filmen immer gezeigt wird; große, helle Wohnung, eine Haushälterin, beide Elternteile. Mein Vater ist Architekt, meine Mutter ist - mittlerweile - wieder in ihren alten Beruf Anwältin eingestiegen. Damals war sie selbstverständlich im Mutterschutz, daheim. Und, mal ganz ehrlich, an Geld hat es uns sowieso nie gefehlt. Sie arbeitet eben.. aber auch nicht viel. So aus Spaß an der Freude.. aber das interessiert Euch sicher nicht ;)
Ich war ein süßes Mädchen.. weißblonde große Locken, große blaue Augen, Stubsnäschen usw... gekleidet hat mich meine Mutter immer wie eine kleine Prinzessin. Mein Gott waren das Zeiten. Ich hatte auch ein Pony, ja, wirklich :) .. dreimal dürft Ihr raten welche Farbe .. richtiig - weiß. Thihi .. wie im Film eben; sagte ich ja bereits.
Eigentlich war mein Leben perfekt. Wir waren reich, reich an Geld UND an Liebe. Wir hatten uns, uns gehörte die Welt. Natürlichen nicht im materiellen Sinne, nein, jedoch im übertragenen. Das Glück war auf unserer Seite. Bis..
meine Mutter krank wurde. Es war ein Schicksalsschlag, der die ganze Familie nicht nur in die Verzweiflung trieb, sondern auch das Ende meines derzeitigen Lebens darstellte. Ich möchte nicht ausbreiten was genau sie hatte; es reicht zu sagen, dass es eine schlimme Krankheit war, die einige Monate Krankenhaus-Aufenthalt beanspruchte und weitere Monate zur Rehabilitation. Ich kann niemandem einen Vorwurf machen, denn es ging nicht anders, aber ich wurde vernachlässigt. Schwer sogar. Wie gesagt, war meine Mutter lange Zeit weg von daheim, mein Vater musste entweder arbeiten oder stand ihr bei - verständlich.

Und ich? 
Ich hatte zahlreiche Babysitter. Nette, konservative, grobe, junge, alte.. als ich 7 war, erklärte ich meinen Eltern, ich wolle das alles nicht mehr. Und schlug vor, einfach ganz viel reiten zu gehen. Auf dem Hof war immer wer; Freundinnen & Freunde, die Reitlehrerin.. usw. Mein Tag sah dann folgendermaßen aus: Schule, Hausaufgaben bei der Mittagsbetreuung für Kinder Berufstätiger (da waren auch einige Freundinnen), dann 4 Mal pro Woche zum Reiten, Heim. Und da war dann abends mein Vater. Ich wurde zur kleinen Erwachsenen, meine Mutter machte gesundheitliche Fortschritte.

Little Miss Perfect. 
Little Miss Sunshine.. so in etwa. 

So - Was war mein Problem? 
Ich war sehr reif für mein Alter, verantwortungsbewusst, vernünftig, selbstständig. Sowas bekam ich oft zu hören. Außerdem war ich eine sehr gute Reiterin.. saß schließlich schon mit 4 Jahren zum ersten Mal auf dem Pony. Aus all dem folgert sich, dass ich schon alleine ausreiten durfte.
Der Feldweg am Wald war mir am liebsten.. da sah ich oft kleine Kätzchen, Rehe, ja sogar Füchse :). Zudem kannte ich den Weg in und auswendig; war nämlich auch ein hübscher kleiner Umweg nach Haus.. Bin dort oft mit meinen Eltern spazieren gegangen, als meine Mama noch gesund war.

Eines Nachmittages kam alles anders, als sonst. Ich war mit meinem Rad auf dem Weg zum Hof, als ich irgendetwas zwischen die Kette bekam und stürzte. Zuerst erkannte ich gar nicht, ob die Person, die herbei eilte ein Mann oder eine Frau war; ein Mann war es. Noch ehe, ich mich aufrichten konnte, hat mir dieser ein Tuch auf das Gesicht gedrückt, bis ich bewusstlos war.

Es war eine Gruppe von Männern. 
Ich bin in einem Käfig aufgewacht. 
Und ich ließ mich einschüchtern..

Einer reichte mir einen Stapel Fotos durch die Gitter. Es waren Bilder von mir und meiner Familie und Fotos von mir und meinem weißen Pony. Bilder an allen möglichen Orten und Tagen. Man drohte mir, es würde etwas schreckliches geschehen, wenn ich es wagen würde etwas von meinen Erlebnissen zu erzählen. ErlebnisSEN? ..

Die Wochen verstrichen und ich wurde schwer sexuell missbraucht. Zu Beginn einmal pro Woche, dann zweimal, dreimal.. irgendwann, als aus Wochen Monate wurden, war es immer, wenn sie mich zwischen die Finger bekamen.. Mit 8 Jahren kannte ich so schon alle möglichen Stellungen, Spielchen & Rituale, wenn auch der Sinn noch unklar war. Ich war ein Kind!
... doch ich war nicht die einzige, die dieses Schicksal traf. Ein Mädchen, als wir uns unterhielten, sagte sie mir, sie sei 18 Jahre alt, wurde auch oft an den Ort gebracht. Ich konnte gar nie verstehen, warum sie sich so exzessiv wehrte, sie hatte doch keine Chance gegen die Gruppe von Männern, einer größer als der andre. Trotzdem schlug sie wie wild um sich, war frech wie Oscar, wollte immer und immer wieder fliehen, bis die Geduld der Männer so ausgereizt war, dass sie das Mädchen beinahe bewusstlos prügelten. Ich hatte so Angst.. hab mir gewünscht, ich hätte Superkräfte und könnte die "Bösewichte" mit meinem kleinen Finger umhau'n. Ha, schon witzig, was so ein kleines Mädchen denkt, wenn es in einem Tierkäfig eingesperrt zuschaut, wie ein anderer Mensch physisch und psychisch gefoltert wird..

Meine Mutter steuerte immer weiter der Genesung zu, während ich immer ruhiger wurde; in mich gekehrt, isoliert. Oft fragten mich die Eltern, was denn mit mir los sei? "Nichts" wurde in die schwere Zeit, die hinter "uns" lag interpretiert. Sie wussten ja nicht, was los war und ich hatte es auch niemals vor zu erzählen.

als ich 9 Jahre alt war, war meine Mutter nicht nur gänzlich geheilt, sondern auch schwanger. Mein Bruder kam zur Welt... und ich, ich wurde immer "komischer". Meine Eltern machten sich große Sorgen, was dazu führte, dass ich zu einer Kinderpsychologin wollte. Ganz ehrlich, ich fand das ganz schrecklich da. Da war eine alte Dame, die mir helfen wollte und SO lieb zu mir war und ich musste sie in jeder Stunde anlügen. Als sie einmal blaue Flecken an meinem Arm gesehen hat, erklärte ich, ich sei vom Pferd gefallen.. Manchmal sind mir Satzteile herausgerutscht, die ich eigentlich gar nicht sagen wollte und nicht SOLLTE. Als sie z.B. wissen wollte, ob ich Albträume habe, ist mir wie aus der Pistole geschossen "ja" über die Lippen gesprungen. Und nicht nur das! .. Ich hatte mich so wenig unter Kontrolle, dass ich aussprach, was in meinem Kopf vor sich ging.. "Na komm schon, Kleines, Du reitest doch so gerne" .. Gott sei Dank ist das sehr zweideutig, sodass ich den Rest des Traumes erfinden konnte "... hat mein Papa zu mir gesagt, als ich Angst hatte auf's Pferd zu steigen." So hörte sich der Traum wieder altersgemäß an.

Jahre vergingen.. und ich blieb für meine Außenwelt "komisch". In der Schule blieb ich trotz alldem beliebt, die Jungs verknallten sich immer relativ schnell in mich.. "Du bist so anders als die andren".. aha. Schon mit 12 begann ich mich zu schminken; ein gutes Verhältnis zum Essen hatte ich schon lange nicht mehr. Ich war viel zu mager für mein Alter. Ich, das Sorgenkind der Familie, war mir 12 Jahren schon so zerstört, dass ich regelmäßig dissoziierte und danach  nicht mehr wusste, was ich eigentlich getan habe.
Zwischenzeitlich hatte ich sogar versucht mich gegen den Männerzirkel zu wehren. Vergebens. Ich musste an das Mädchen von damals denken - es war nicht mehr da, ich war wieder allein - und ich hatte Angst genau so geschändet zu werden.

An meinem 13. Geburtstag.. 

sollte sich das Blatt wenden. Dreizehn, drei-zehn - gab es da nicht diesen Film? Egal.. Meine Geburtstagsfeier (Überraschungsparty, die meine Eltern eingefädelt hatten) waren soo viele Leute da und ich "komische" hab das irgendwie nicht lang ausgehalten. Wollte kurz raus an die frische Luft.. bin nur ein paar Schritte gegangen, als eine Hand nach meinem Arm griff und mich wegzerren wollte. *Wieso schon hier? Bitte nicht!!* dachte ich mir.. ; hatte mich eigentlich schon mit meinem Schicksal abgefunden, als eine Frauenstimme aufschallte und die Männer in die Flucht trieben.
Eine Nachbarin.. nahm mich in den Arm, brachte mich Heim. Ich hatte "diesen leeren Blick", meinten meine Eltern damals. So gefährlich die Aktion auch war, es schien vorbei zu sein. Wochen vergingen ohne einen einzigen Übergriff... Mehr und mehr engten mich meine Eltern ein, wollten wissen, was genau vorgefallen sei, wie ich damit klar komme; zwangen mich erneut zum Therapeuten. Ich hingegen hatte irgendwie den Lebensmut verloren - jetzt, wo doch eigentlich alles vorbei war, ging es mir am schlechtesten.

Die anfängliche "Unlust" auf Menschen wurde zur völligen Isolation. Wollte man mich finden, fand man mich einfach in meinem Zimmer. Auf dem Bett, vor dem Bett, neben dem Bett, gelegentlich auch unter dem Bett (wenn ich das Bedürfnis hatte ein schützendes "Dach" über mir zu haben). Das Leben lähmte mich.
Mit 15 war ich schon ausgewachsen und wog nur noch 45kg. Die wollten mich wegsperren! In eine Klinik! NIEMALS! Ich gab mir alle "Mühe" ein bisschen zuzunehmen, damit sie mich in Ruhe lassen, aber quak - ich nahm weitere 3 kg ab und durfte mit sweet 16 in die Klapse.
Die Tatsache zum Essen gezwungen zu werden erinnerte mich an die Missbrauchserfahrungen. Mein Wille war gebrochen und wie es die Vergangenheit bescheinigte, verhielt ich mich auch: Ich lies alles über mich ergehen, sodass es nur 3 Monate gebraucht hat, bis ich wieder Heim durfte und - 58 kg - wog.

Aus einem mir nicht bekannten Grund - weil mein Leben eine einzige Dissoziation gewesen war - lernte ich: "Essen betäubt, friss dich voll und dein Kummer ist weg"..

Hartz4-TV-ler würden mich als "The biggest WINNER" bezeichnen, denn ich wog letztendlich 90 kg.
90 kg !! In dem mit Designer-Möbeln ausgestatteten Zimmer einer Jugendlichen saß nun eine fette Hummel, Chips und Co. in sich hineinfressend.
Man sagte mir, ich dürfe nur auf die kräftigen Pferde, weil ich die Gelenke der anderen schädigen könnte.
In der Schule wandten sich alle von mir ab. Ich war nun nicht mehr einfach "komisch", was mich eine Zeit lang zu etwas Besonderem machte, sondern auch fett. Und fett war und ist hässlich. Wird es auch immer bleiben.
Das war übrigens als ich Ende 17 war, kurz vor meinem 18. Geburtstag.

21.Juni 2010 

Ein paar Freunde hatte ich noch.. die lud ich klischeehaft ein. Mein Plan war: Feiern und mich unbemerkt besaufen, damit ich das alles nicht ertragen muss. Kam aber anders. Wie immer. Von den 5 Kumpels und 3 Freundinnen waren schon die Hälfte dicht, als ich gerade erst angeheitert war. Was macht man mit halben Alkoholleichen? Yo, DVD.
Irgendwann in der Mitte des Filmes griff mir einer der Kumpels an die Brust. Ich war so schockiert; ein Stromschlag nach dem andren fuhr durch meinen Körper. Die Bilder kamen so schnell, so so schnell! Der Käfig, die Schnüre, die Gesichter der Männer, das Klebeband, das gequälte Mädchen.. ich wollte wegrennen, aber der Kumpel hat sich auf mich gedrückt.. irgendwas von wegen "bei dir kann man ordentlich anfassen" .. "lieber so als perfekt, da traut man sich ja gar nicht ran" gelallt und da begann die Einsicht.

Es hat Klick gemacht. 


Männer wollen also etwas zum Anfassen. 
Männer wollen Macht und etwas zum Anfassen. 
Männer wollen Macht, etwas zum Anfassen und die Kontrolle darüber ob "Ernst" oder "nur so zum Spaß". 


Da schwor ich mir, ich würde mich rächen.
Bis heute habe ich abgenommen, 25 kg. Es ist nicht die Welt, aber ich möchte es der Welt auch nicht so einfach machen.

Wie ich hier sitze, wiege ich 64,1 kg. 
Oft höre ich von Männern so eine Scheiße wie "Du bist perfekt", "...eine Göttin, wunderhübsch"...
Widerlich. Ich sehe das ganz anders, aber mein Gott - was tut man denn nicht alles um sich zu rächen?
Ich spiele mit Männern. Ich habe zurzeit 5 "Pseudofreunde". Keiner weiß von den jeweils anderen und wenn sie es irgendwann erfahren? - Soll mir recht sein. Ist ja auch nicht so, dass es die einzigen sind, mit denen ich etwas habe.
Versteht mich nicht falsch. Ich bin keine Hure; ich schlafe mit niemandem dieser zahlreichen Typen.. ich spiele mit ihnen. Wie ich es sage. Ich mache sie scharf, um sie dann wieder runterlaufen zu lassen. Ich spiele ihnen etwas von Gefühlen vor - um sie dann fallen zu lassen. Ja, ich habe es sogar schon in Schlafzimmer gebracht, wo ich dann mitten in der anfänglichen Romantik "April, April" gesagt habe und mich lachend vom Acker gemacht habe.
Ob ich herzlos bin? Ja, manchmal frage ich mich das auch.
Deshalb habe ich meine "Beute" auf solche Männer reduziert, die mich auf offener Straße plump und pervers anmachen. Das reicht schon. Immer schön diskret, damit ich nicht noch die Stadtnutte werde.

Schließlich gibt es da noch diese anderen Facetten, von denen ich zu Beginn des Textes schon gesprochen habe. 

Zum einen, die Tochter, die stets bemüht ist, alles gut zu machen. Fleißig, aber psychisch angeschlagen.
Dann die etwas arrogant wirkende Mitschülerin, die des öfteren fehlt, aber das bestimmt nur, weil sie sich zu gut ist, um regelmäßig zur Schule zu kommen.
Bei meiner Psychologin bin ich der Sonnenschein schlechthin, der seine schlechten Gefühle mehr rauslassen sollte.
Bei Freunden bin ich die, mit der man Pferde stehlen kann; die reife, vernünftige.
Bei Bekannten bin ich die mega-tolle, mit der man ständig etwas unternehmen & chatten will, aber sie eben keine Zeit hat.
______________
klingen alle ein bisschen ähnlich, sind in der Umsetzung aber grundverschieden und es gibt niemanden, der davon weiß. Und da mich niemand so kennt, wie ich mich gerade hier gebe, habe ich auch keine Befürchtungen, über mich so frei zu schreiben.

Niemand kennt meine Geschichte so wie sie hier verfasst ist. 
Niemand kennt meine Gesamtheit wie sie hier zum Ausdruck kommt. 

Ich denke, das hier ist genug zu meinem Leben.
Frage mich, ob es überhaupt jemand liest.
Und sollten Fragen aufkommen..
so gestört, dass ich beiße, bin ich dann doch noch nicht ;) ..